ZitatStute tritt Tierarzt, Tierarzt verletzt sich, Tierarzt erhält Schadensersatz – diese Rechnung ging für einen deutschen Veterinär nur teilweise auf. Denn in manchen Situationen kann dem Doktor durchaus eine Mitschuld angelastet werden, wie ein aktuell veröffentlichter Fall zeigt.
Im April 2013 wurde der Veterinär in den Stall des Beklagten, ein Hobbyzüchter aus Bad-Sassendorf in Nordrhein-Westfalen, gerufen. Ein drei Wochen altes Fohlen zeigte anhaltenden Durchfall und sollte untersucht werden.
Eintreffen des Tierarztes befanden sich Mutterstute und Fohlen in einer ca. 3 x 3 m großen Box. Der Besitzer der beiden hatte die Stute mit dem Kopf zur hinteren rechten Ecke gerichtet angebunden.
Als alle Versuche des Besitzers fehlschlugen, dem Fohlen für die Behandlung ein Halfter überzustreifen, begab sich der Tierarzt in den vorderen Teil der Box, um das Fohlen von vorn zu fixieren. In diesem Moment drehte sich die Stute mit der Kruppe in Richtung Boxentür um und trat aus, wobei sie den Veterinär am linken Oberschenkel traf. Die Folge waren Knochenbrüche, Muskel-, Kreuzband-, Gelenkkapsel- und Meniskusverletzungen, der Tierarzt musste operiert und stationär behandelt werden.
Als Folge dieses Zwischenfalls forderte der Veterinär Schadensersatz vom Halter der Tiere. Ein vom Haftpflichtversicherer des Beklagten auf der Basis einer 50 %igen Haftungsquote unterbreitetes Vergleichsangebot lehnte er ab. Ihm sei kein Mitverschulden anzulasten, so der Veterinär, weil er als Tierarzt aufgrund der Berufsordnung zur Behandlung des erkrankten Fohlens verpflichtet gewesen sei und dem Beklagten beim Ausführen des Fohlens aus der Pferdebox habe helfen müssen. Damit kam die Sache vor Gericht.
Und dort konnte man sich den Ausführungen des Tierarztes nur Gänze anschließen, wie eine aktuell veröffentlichte Pressemitteilung der OLG Hamm ausführt. Der Beklagte hafte, so der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts, aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung als Tierhalter für den Schaden, den seine Stute an der Gesundheit des Klägers verursacht habe. In der Verletzung des Klägers habe sich die typische Tiergefahr realisiert.
Allerdings sei dem Kläger ein Mitverschulden anzulasten, so das Oberlandesgericht. Dieses sei in seinem Verhalten vor der Verletzung begründet. Demnach hätte für den Kläger bereits vor dem Betreten der Pferdebox unschwer erkennbar sein müssen, dass er in der für beide Pferde erheblich zu kleinen Box an jeder Stelle vom Huf der - sichtlich erregten - Stute habe getroffen werden können. Auch hätten er und der Pferdehalter mit einem Widerstand der Stute gegen eine Trennung von ihrem Fohlen rechnen müssen. Das Anbinden der Stute habe ihren Erregungszustand sogar noch erhöht. In dieser Situation hätte der Kläger die Pferdebox nicht betreten dürfen, so der Richter.
Um die beiden Pferde zu trennen, hätten wesentlich weniger risikoreiche Methoden zur Verfügung gestanden. Nach Meinung eines Sachverständigen hätten die Stute und ihr Fohlen mit Hilfe einer Nachbarbox und unter Umständen in mehreren Versuchen voneinander getrennt werden können. Dieses Vorgehen wäre dem Kläger auch zumutbar gewesen und hätte die Gefahr einer Verletzung erheblich verringert.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge, sei zu berücksichtigen, dass der Pferdehalter die Pferde in einer zu kleinen Box gehalten und die Stute unsachgemäß mit dem Kopf vom Fohlen entfernt angebunden habe. Dennoch verbleibe ein mit der Quote von einem Viertel zu bemessenes Mitverschulden beim Tierarzt.
Genauso ist es leider. Eine meiner Ex-Kolleginnen wurde mal vom Hund beim Röntgen ins Gesicht gebissen. Hatte schwere Verletzungen und war einige Wochen im Krankenhaus. Fazit: Haftpflichtversicherung zahlte keinen Cent, da wir als Tierarzt in solchen Situationen selbst wissen müssen, dass man ein Tier bedrängt und es besser mit Maulkorb sichert...
Eben hat mit ein Hund in die Hand gebissen.. Habe fies Aua... Da mache ich mir nicht mal ansatzweise Hoffnungen, dass da mit irgendetwas zu rechnen ist außermit einer sicherlich morgen ziemlich geschwollenen Flosse...
You can never know everything, and part of what you know is always wrong. Perhaps even the most important part. A portion of wisdom lies in knowing that. A portion of courage lies in going on anyway. (Al'Lan Mandragoran)
Ich habe mir Gedanken gemacht, ob ich dieses Urteil fair finde...
Einerseits denke ich, dass wir als Tierbesitzer von einem Tierarzt erwarten, dass er je nach dem auch unter Körpereinsatz und vor allem Risikobereitschaft unsere Tiere behandelt. Und es sind eben nicht immer alle Tiere brav bei irgendwelchen vielleicht außergewöhnlichen oder komplizierten Untersuchungen und Behandlungen. Eine gewisse Risikobereitschaft und "Abgebrühtheit", oder sagen wir: gute Nerven muss ein Tierarzt also mitbringen, sonst ist er bei aller Fachkenntnis für den Beruf wohl nicht geeignet.
Andererseits wollen wir natürlich ungern haften, wenn unser Tier sich danebenbenimmt oder eben den TA tatsächlich schädigt. Aber ist der Tierarzt im Falle des Falles wirklich "selbst schuld", und sei es nur zum Teil? Ich finde das sehr schwierig zu sagen.
Vielleicht sollte das Urteil auch nur als Mahnung für uns alle dienen, dass man auch bei langjähriger Erfahrung immer wieder aufmerksam und sorgfältig schaut, welche Risikofaktoren man beseitigen oder minimieren kann. Im vorliegenden Fall frage ich mich zum Beispiel, warum das Fohlen überhaupt von der Stute separiert werden sollte. Da hätte es sicher auch andere Möglichkeiten gegeben. Naja, hätte, hätte...
Also, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! Immer gut gucken, was geht und was vielleicht besser anders gemacht werden kann. Oder?
Ich biete unserem Hundetierarzt prinzipiell an, meinem Hund einen Maulkorb anzulegen, denn dafür garantieren, dass mein Hund nicht doch mal schnappt, wenn er unter Stress steht, will ich nicht. Ich hatte früher einen Tierarzt, der prinzipiell meinte, es reicht, wenn der Besitzer den Kopf fixiert - aber ganz ehrlich, wenn mein Hund sich mit seinen 78 Kilo Körpergewicht gegen mein Halten zur Wehr setzt, halte ich da gar nichts mehr.
Auch unsere Pferdetierärztin musste diese Erfahrung machen, denn wir hatten vor Jahren mal ein lahmendes, 5 Monate altes Hengstfohlen und ahnten schon, dass der sich die Hufsohle geprellt hatte. Das Fohlen kannte das Aufheben der Hufe und Micha sollte den Schweif und am Halfter packen und das Fohlen so fixieren. Der kräftige Hengst versuchte sich aber sofort hinzuwerfen, als die Tierärztin den Huf aufhob und rutschte Micha so aus den Armen. Kaum merkte das Fohlen, dass er nicht mehr richtig festgehalten wurde, sammelte es alle Kraft, sprang auf und trat mit beiden Hinterhufen gegen die Tierärztin, die umfiel wie ein gefällter Baum. Zum Glück war die Box gut eingestreut - so fiel sie wenigstens weich.
Ich war total geschockt, bot auch gleich an, einen Krankenwagen zu rufen, aber sie versichterte mir, dass es ihr gut geht und sie nur nicht mit einer solchen Reaktion des Fohlens gerechnet hatte. Tatsächlich hatte sie wohl wirklich "nur" blaue Flecke davongetragen und setzte sogar die Untersuchung des Fohlens fort (allerdings musste er dann eine Nasenbremse dulden).
Ich hatte ihr auch angeboten, meine Versicherung zu informieren, aber sie lehnte das ab und meinte, das sei ihr Berufsrisiko und wenn sie zusammenzählt, wie viele Fohlentritte sie schon bekommen hat, wäre das auch kein Drama gewesen. Aber sie war auch wirklich sehr hart im Nehmen.
Auf der anderen Seite hatte ich mal einen Tierarzt von der Klinik geschickt bekommen, der ohne vorherige Absprache auf dem Hof stand, um ein immunschwach geborenes Fohlen zu behandeln. Weil wir aber nicht wussten, dass er kommt, war ich allein und die Pferde standen auf der Weide. Er hatte aber keine Hilfe mitgebracht und darum sagte ich ihm, dass ich nicht gleichzeitig die Stute und das Fohlen festhalten kann und außerdem die Stute niemanden an das Fohlen ranlässt und es sinnvoll wäre, wenn er später wiederkäme. Das wollte er aber nicht und meinte, dass das Serum nun aufgetaut sei und gebraucht werden müsste.
Ich versuchte also Stute und Fohlen in den Stall zu holen, was aber allein nicht klappte, weil das Fohlen ja noch keine fünf Stunden alt war und der Mutter noch nicht sicher folgte und die Stute bei jedem (dilettantischen)Versuch des Tierarztes, ihr Fohlen anzufassen mit 600 Kilo ins Halfter stieg. Er probierte dann das Fohlen vor Ort zu infundieren, aber dabei warf er es zu Boden und es verletzte sich am Rücken und lahmte danach. An dem Punkt brach ich das Experiment ab, bekam aber dann trotzdem eine Rechnung für die Behandlung und das Serum, obwohl das Fohlen nichts davon bekommen hatte.
Ich war wirklich derart sauer, denn zum einen musste ich nun wieder Tierarztkosten bezahlen, um das lahmende Fohlen zu behandeln (zumindest schickte man mir diesen Tierarzt nicht mehr) und zum anderen hatte ich den Tierarzt für das Infundieren nicht bestellt. Er hatte angenommen, dass wenn bei der Auswertung des IgG-Titters rauskommt, dass er zu niedrig ist, wir automatisch einverstanden sind, dass dem Fohlen Serum gegeben wird und fuhr ohne nachzufragen und vor allem ohne Hilfsperson los, obwohl er wusste, dass jemand das Fohlen und eine weitere Person die Stute festhalten muss und nicht davon ausgehen konnte, dass er hier genügend Leute antrifft.
Nach einem langen Gespräch mit dem Klinikchef mussten wir zumindest die nicht erfolgte Behandlung und das Serum nicht bezahlen, aber für die Lahmheitsbehandlung bezahlten wir die Rechnung trotzdem, obwohl der Tierarzt die Schuld trug, dass sich das Fohlen verletzte.
Natürlich meckert man nicht - man möchte ja keinen Ärger mit der Klinik haben, nachdem es da durchaus sehr fähige Tierärzte gibt und wir ihnen seit 20 Jahren vertrauen, aber wenn ich manchmal sehe, wie sich Tierärzte teilweise beim Behandeln vom Fohlen anstellen, dann denke ich, dass das Urteil durchaus fair ist.
Im Übrigen musste ich als Besamungswartin auch kein geringes Risiko eingehen, denn nicht jeder Fremdhengst ließ sich unproblematisch absamen und nicht jede Stute war nett beim Abprobieren oder besamen. Als ich vors Knie getreten wurde und danach sechs Wochen ausfiel, hat der Besitzer der Stute mir auch keinen Schadensersatz bezahlt - ich hätte das auch nicht erwartet, denn wie ich schrieb: Das war mein Berufsrisiko.
Geh Wege, die noch niemand ging, damit Du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub (Antoine de Saint Exupéry)
Ich glaube manchmal ist es einfach Pech, aber einiges ist glaube ich einer verdrehten Einschätzung zu verdanken. Dieses "das hat der doch nie gemacht" ist ja nicht umsonst zum geflügelten Spruch geworden.
Maluso ist bei sämtlichen Manipulationen an ihm unfassbar ruhig. Er lässt alles geschehen und macht toll mit. Die Ärzte, Ostheos, Schmiede lieben ihn dafür. Meine Hand ins Feuer legen würde ich trotzdem nie.
Bei meinem Hund sage ich von vornherein, dass ohne Maulkorb nichts geht, da sie es absolut nicht schätzt von Fremden bedrängt zu werden. Bis ich ihr halbwegs klar machen konnte, dass ich sie nicht umbringe, wenn ich ihre Krallen schneiden möchte hat schon gedauert. Bei einem Tierarzt, der "mal eben" eine Spritze setzen will, rastet sie aus. Erst jault sie so laut, dass man meint sie würde umgebracht und dann wird geschnappt. Da hält man auch einen 25kg Hund nicht mehr, wenn er glaubt, dass er umgebracht wird.
Aber sowas weiß man, wenn man seine Tiere beobachtet eigentlich.
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Urteil: Tierarzt von Pferd getreten - erhält Teilschuld
26.01.2017 14:49 (zuletzt bearbeitet: 26.01.2017 14:56)
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