Ja, die ehemaligen Pforgler werden sich an Nils erinnern.

Im Winter 2011/2012 stand Nils eines schönen Tages plötzlich mitten zwischen den Offenstallpferden und beteiligte sich an der morgendlichen Heumahlzeit. Die Pferde nahmen kaum groß Notiz von ihm, aber wir Menschen staunten nicht schlecht. Fachkundige Bürger identifizierten den kleinen Kerl als Damwildkalb und schätzten ihn auf ca. ein halbes/dreiviertel Jahr. Wo er herkam, warum er auf einmal da war - das ließ sich trotz intensiver Recherche nicht herausfinden: Er wurde nirgendwo vermisst. Wildlebendes Damwild gibt es in unserer Gegend nicht, er musste eigentlich irgendwo ausgebüxt sein.

Naja, aber wo er schon mal da war, musste er ja auch irgendwie heißen: Nach einem Nachbarskind wurde er auf den Namen "Nils" getauft.

Eine Zeitlang war er ein echter Medienstar: Verschiedene Vertreter von Zeitung und TV gaben sich die Klinke in die Hand, um über Nils zu berichten. Derweil ging der normale Alltag seinen Gang. Normaler Alltag hieß für Nils: Fressen mit seinen Kumpels, allen voran Merlin, das Süddeutsche Kaltblut, das ich zu der Zeit reiten durfte, Kuscheln und Toben mit allen, die das wollten oder nicht, ab und zu ein gemütlicher Ausritt. Ja, richtig! Er ging gerne mit in den Wald oder ums Dorf und begleitete uns. Spaziergänger und Bewohner der umliegenden Dörfer konnten es kaum glauben, wenn sie uns sahen. Da er sich mit der Zeit auch zu Alleingängen in den nahegelegenen Einkaufsort hinreißen ließ und dort beim Rewe oder beim Fahrradladen gesichtet wurde, war er bald bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund.

Besonders lustig fand er das Stierkampfspiel: Versucht mal, auf dem Reitplatz einen ordentlichen Zirkel oder eine ordentliche Schlangenlinie zu reiten, wenn vor Euch ein mit gesenktem Kopf und schräg galoppierender Nils Euren Weg kreuzt. Er fand das großartig! Und egal, mit welchen Mitteln man ihn aus dem ernsthaft zu nutzenden Dressurviereck hinauskomplimentieren wollte, er ließ sich diesen Spaß nicht nehmen und schlüpfte einfach am anderen Ende wieder hinein und - Attacke! - galoppierte wieder los! Hat natürlich manchmal auch genervt.

Auch dass er mit seinen irgendwann sprießenden Hörnchen ("Geweih" konnte man das noch nicht nennen) ständig die Pferde knuffte, war wenig witzig. Oder dass er irgendwann ständig auf den Pferden hing (so gut es ging und auch nur auf den kleineren), fanden wir eher unnötig. Konnte man aber ja alles noch mit Humor nehmen.

Richtige Negativschlagzeilen machte er nur ein Mal: Er, der ja immer zwischen allen Zäunen durchschlüpfen konnte und daher unbegrenzten Zugang zu allem und jedem hatte, hatte es sich eines Tages nicht nehmen lassen, im Mülleimer herumzuwühlen. Besonders viel Verlockendes gab es da eigentlich nicht. Aber während er noch so herumsuchte, musste sich wohl das abgewickelte Netz eines Rundballens in seinen Hörnchen verfangen haben. Jedenfalls trug er dieses wie eine Schleppe und zog es, wo er ging und stand, hinter sich her. In seinem verzweifelten Bemühen, das Ding loszuwerden, wickelte es sich immer fester um seinen Kopf. Irgendwann geriet er in Panik und raste nur noch wie ein Irrer herum. Schutzsuchend rannte er zu seinen Freunden, den Pferden. Die Pferde jedoch gerieten leider ob seines Anblickes und der meterlangen Schleppe, die er weiterhin mit sich führte, ebenfalls in Panik. Alles stob hektisch hierhin und dorthin und auseinander - bis irgendwann das erste Pferd durch den Zaun ging. Alle anderen natürlich hinterher. Das war eine Aufregung!

Zum Glück konnten die Pferde (bis auf eines, das leider erst am späten Nachmittag drei Orte weiter wiedergefunden wurde... ) recht schnell wieder eingesammelt werden. Auch Nils, der sich zwar ab und zu anfassen ließ und auch schon mal ein bisschen Hafer aus der Hand naschte, ansonsten aber ja nicht zahm war, konnte immerhin so weit geholfen werden, dass man die Schleppe zu packen bekam und selbige immerhin schon mal auf ein kleines Stück verkürzen konnte. Aber er widerstand allen weiteren Versuchen, ihm das Zeug komplett von den Hörnchen zu wickeln.

Was tun?

Die Lösung sah dann so aus, dass unser Tierarzt mitsamt Blasrohr anrückte... Nach einem Fehlversuch landete er einen Treffer, und Minuten später konnte Nils aus seiner misslichen Lage befreit werden. War ein teurer "Spaß"! Zum Glück beteiligten sich viele Dorfbewohner mit einer Spende an der Rechnung.

Nils lebte insgesamt ungefähr eineinhalb Jahre bei uns. Irgendwann begann es, dass er für mehrere Stunden oder auch ein, zwei Tage verschwand. Er kehrte jedoch immer wieder zurück. Wo er in der Zwischenzeit war, was er genau zu tun hatte, weiß keiner. Aber offensichtlich war ihm doch klargeworden, dass ihn irgendetwas von den Pferden unterschied und dass er nicht ganz glücklich war. Er machte sich wohl auf die Suche nach einem anderen Leben. Eines Tages war er ganz weg und kam auch nicht mehr wieder. Er wurde (angeblich) an allen möglichen Orten in der Umgebung gesichtet. Wirklich gesichert waren diese Meldungen jedoch alle nicht, und so verlor sich seine Spur dann irgendwann. Seit ca. Frühsommer 2013 haben wir ihn nicht mehr gesehen. Ob er noch lebt?

In diesem Frühjahr tauchte noch einmal ein Foto im Internet auf, das einen erwachsenen und sehr stattlichen Damhirsch zeigt, der hier in der Gegend gesehen wurde. Leider ließ sich nicht recherchieren, wo dieses Foto aufgenommen wurde und ob "Nils?" womöglich noch einmal aufgetaucht ist. Das Gesicht fand ich schon sehr typisch, es könnte also echt sein...


Das Foto, das ich eingeschickt habe, zeigt unser Fohlen "Reine Freude", im März 2012 geboren, zusammen mit der Mutter "Fantastica", bei einer der ersten Begegnungen mit Nils. Ich finde dieses Bild unglaublich schön und wirklich außergewöhnlich.

Vielen Dank, dass Ihr das auch so gesehen habt!